Dieser Artikel ist der 21. von insgesamt 23 in der Reihe "Hubsis Coronatagebuch"

Bis vor kurzem dachte ich, mit dem Corona-Tagebuch fertig zu sein. Lange Zeit hat sich nichts getan: die Anzahl der Neuinfektionen war relativ stabil und sogar relativ niedrig. Auch in den Medien ging es nicht mehr primär um das Ausbreitungsgeschehen, sondern vielmehr um die Fragen nach einer „Rückkehr in die Normalität“. Zum Beispiel die Diskussionen, Fußballspiele und andere große Sportveranstaltungen wieder vor Publikum durchzuführen. Bei solchen Nachrichten kann die Lage nun wirklich nicht mehr so prekär sein.

All das hat dazu beigetregen, dass ich nach und nach das Interesse daran verlor, mir täglich ein Bild der Lage zu machen oder „besonders“ auf mein Verhalten zu achten. Mit Maske, Abstand und Händewaschen fährt man ja laut vorherrschender Meinung eine ziemlich sichere Schiene.
Nebenbei dachte ich mir, dass es ebenfalls sinnvoll sei, den Kreis der Personen, mit denen man sich trifft, relativ konstant zu halten. Wenn sich aber wieder tausende in den Stadien zusammenfinden, um überbezahlten Individuen zuzujubeln, dann sehe ich beim besten Willen keinen Grund mich nicht mit Freunden und Bekannten zu treffen.

Mit dieser Einstellung bin ich auch ganz gut über den Sommer gekommen. Zugegeben, ich war nicht annähernd so viel mit Freunden unterwegs, wie vorher, aber an Geburtstagsfeiern, Bandproben und den einen oder anderen Grillabenden habe ich trotzdem teilgenommen.

Verkehrszeichenkunde

Vor etwa ein bis zwei Wochen ging’s dann aber Rund: Die Zahl der Neuinfektionen stieg so schnell wie Jeff Bezos Kontostand.
Innerhalb weniger Tage hat sich die Sieben-Tages-Inzidenz verdoppelt.

Bei der Sieben-Tages-Inzidenz wird die Anzahl der positiven Testergebnisse pro hundertausend Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage gemessen. Das Wörtchen „Inzidenz“ beschreibt die Anzahl neu aufgetretener Erkrankungen über einen bestimmten Zeitraum.

Wurden in einer Stadt mit fünfhundertausend Einwohnern während der letzten Woche einhundert Personen positiv getestet, so ergibt das eine Sieben-Tages-Inzidenz von zwanzig.

Diese Entwicklung scheint sich auch in anderen Städten/Gemeinden/Regionen so zugetragen zu haben. In Bayern war es auslöser für erneuten Handlungsbedarf. Diesmal allerdings nicht Landesweit, sondern „gezielter“. Als Ergebnis hat die Regierung am siebzehnten Oktober ihre „Coronaampel“ vorgestellt🚦. Im Prinzip handelte es sich dabei um einen dreifach abgestuften Maßnahmenkatalog:

Das unterste, grüne, Lichtlein leuchtet bei einem Inzidenzwert unter fünfunddreisig. Hier dürfen sich maximal zehn Personen oder zwei Haushalte im öffentlichen Raum treffen, Veranstaltungen sind auf ein- bis zweihundert Teilnehmer beschränkt (abhängig vom Veranstaltungsort) und an gewissen Orten, wie z.B. dem öffentlichen Nahverkehr oder in Restaurants, müssen Masken getragen werden.

Klettert der Wert über diese Marke, greift zusätzlich die gelbe Stufe. Diese beschränkt die Personenanzahl auch im privaten Raum, ordnet eine Sperrstunde ab dreiundzwanzig Uhr (auch an Tankstellen und öffentlichen Plätzen) an und weitet die Maskenpflicht auf stark frequentierte Orte aus. Hierunter fallen unter anderem Hausflure, Fußgängerzonen und Schulen.

Rot zeigt die Coronaampel bei einer Inzidenz, die fünfzig überschreitet. Dabei halbiert sich die Personenanzahl (jedoch bleibt es weiterhin bei zwei Haushalten) und die Sperrstunde tritt bereits ab zweiundzwanzig Uhr in kraft.

Als ich davon hörte, fande ich die Wahl einer Ampel als Konzept absolut schwachsinnig 😕. Selbst wenn alles im grünen Bereich ist, haben wir Vorschriften, die unsere Gesellschaft einschränken. Was ist denn, wenn die Sieben-Tages-Inzidenz einen so niedrigen Wert hat, dass ein Team im Gesundheitsamt persönlich die Quarntänen der Infizierten überwachen kann?
Zudem schien mir die rote Stufe relativ niedrig angesetzt zu sein. Es ist kaum Spielraum das Geschehen zu beobachten. Hier war der gelbe Bereich innerhalb von sieben Tagen überschritten. Bei einer gepredigten Zeitversetzung von vierzehn Tagen – zwischen Beschluss und messbaren Ergebnissen – existiert hier quasi keine Möglichkeit, den Anstieg auf einen Wert von über fünfzig zu verhindern.

Heute – vier Tage später – wurde in einer Regierungserklärung nun bekannt gegeben, das Ampeln auch einen dunkelroten bereich haben 🤔. Dieses Licht sehen wir im Straßenverkehr äußerst selten, da es erst aufleuchtet wenn sich innerhalb der letzten sieben Tage 0,1% der Bevölkerung mit dem SARS-CoV-2 infizierte. Über die genauen Details muss allerdings erst noch gesprochen (nicht verhandelt) werden.

Wenn man soetwas hört, fragt man sich doch, ob unsere Politiker wirklich nicht in der Lage sind, sechsundneunzig Stunden in die Zukunft zu denken 🤦

Alles auf Anfang

Mit dem Drei-Stufen-Plan, soll also nun die Verbreitung des Virus in der Gesellschaft eingedämmt werden. In der Praxis ist es allerdings nicht so einfach. In den letzten vier Tagen wurde in meinen Gruppenchats so viel über Corona diskutiert wie schon lange nicht mehr. Dabei war die Fragen immer die selben:

  • Woher weiß ich verlässlich, welche Farbe die Ampel gerade zeigt?
  • Mit wie vielen Leuten darf ich mich denn nun treffen?
  • Wo muss ich jetzt überall eine Maske tragen?
  • Wie ist es, wenn ich z.B. in eine andere Stadt gehe, in der eine andere andere Warnstufe gilt?

Diese Fragen sind meiner Auffassung nach berechtigt und ich wünschte mir auch klarere Antworten. Allerdings stehen wir hier wohl eher auf verlorenem Posten.
Bei mir wurde zum Beispiel am achtzehnten die Ampel auf rot gestellt, einen Tag darauf wieder auf gelb. Das lag allerdings nicht an einer sinkenden Sieben-Tages-Inzidenz, sondern daran, dass nicht die Zahlen des örtlichen Gesundheitamtes für die Ampelfarbe entscheidend sind. Es gelten die Werte des bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die sich offensichtlich unterscheiden.
Das wusste auch die Stadt nicht. Wenn die Verwirrung schon an den Stellen herrscht, deren Aufgabe es ist, diese Regelungen durchzusetzen, wie soll der deutsche Michel da noch durchblicken?
Auch die ergriffenen Maßnahmen entsprechen keiner einheitlichen Ampel mit vier Farben, wie es von der Landesregierung vermittelt wird. Die meisten Regeln enthalten Phrasen wie „zum Beispiel“ oder „und weitere“. Die Details unterscheiden sich dann wieder zwischen den einzelnen Regionen – das ist wenig Tranzparent!

In meinen Augen führt diese Ungewissheit nicht zum Ziel. Vielmehr vermute ich, dass die Akzeptanz für die Ampel und ihre Regeln abnehmen wird. Schließlich hatten wir das in ähnlicher Art und Weise ja im Frühjahr schon. Damals ging es allerdings nur um sechszehn verschiedene Regionen, namentlich die Bundesländer. Das hat sich doch, wenn ich mich nicht täusche, nun vertausendfacht. Immerhin macht jetzt jede Stadt oder Gemeinde etwas anderes und es gibt keine zentrale Informationsstelle.

Lebensfreude auf Sparflamme

Meine Bands und ich sind von diesen Maßnahmen auch stark betroffen. Zum einen können wir nicht mehr so einfach Proben (in einer der Beiden sind wir zu sechst) und auch ein anstehendes Konzert wird wohl nicht so stattfinden, wie erhofft. Zwar dürfen maximal einhundert Personen an einem Konzert teilnehmen, jedoch ist der Platz in unserer Location nicht ausreichend und die Zuschauer müssten konstant ihre Maske tragen. Jetzt waren die Sitzplätze schon von uns als kritischer Faktor eingeschätzt, aber sitzend und ohne Bier (wie soll das mit Schnutenverstecker hinhauen) lockt man halt kaum einen Metaller aus seinem Versteck…

Das ist besonders ärgerlich, da es sich bereits um einen Nachholtermin vom Mai handelt 😭
Einen Livestream zu machen wird wohl auch nicht einfach sein, da wir nicht den Platz haben um mit sechs Musikern ausreichend Abstand einhalten zu können – außerdem würden dann ja noch Techniker, Kammeraleute und Regie hinzukommen.

Zu guter Letzt möchte ich darauf hinweißen, dass alle in diesem Beitrag genannten Fakten unvollständig sein können. Mein Ziel ist nicht für Aufklärung zu sorgen, sondern meine Hirngespinste ungefiltert in die Welt zu pusten.

Leute, passt auf euch auf, zieht eure Masken an,wascht euch regelmäßig die Griffel, geht auf keine Coronaparties und schaut beim nächsten mal an der Kasse, das ihr eurem Vordermann nicht zu nahe kommt. Sollten die Markierungen auf dem Boden, die genau für diesen Zweck angebracht wurden, schon verblichen sein, sprecht doch das Ladenpersonal darauf an 😉

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