Dieser Artikel ist der 22. von insgesamt 23 in der Reihe "Hubsis Coronatagebuch"

Obacht, der heutige Tagebucheintrag enthält sehr viele Emotionen, die von deinen abweichen könnten! Zudem mag es auch nicht die komplette Wahrheit wiederspiegeln, aber so ist das bei Gefühlen nunmal… irrational…

Vor etwa sieben Wochen wurde die Corona-Ampel eingeführt. Damals mit dem höchsten Inzidenzwert von fünfzig pro Woche auf hundertausend Einwohner (STI). Kurz darauf wurde die Ampel noch mit einer dunkelroten Farbe ausgestattet, die ab dem doppelten Wert erstrahlt (wenn auch nicht so hell, ist ja schon im Namen enthalten, dass das gar nicht geht).

In letzter Zeit sind wir allerdings sehr tief in diesem dunkelroten Bereich. Stellenweiße drei oder vier mal so dunkel.

Basierend auf dieser – absolut unvorhersehbaren – Entwicklung hat sich unsere Regierung überannt gefühlt. Neue Maßnahmen waren sowieso längst überfällig! Also kam der Beschluss: Restaurants, Fitnesstudios zu und die eigenen vier Wände nur beim vorliegen triftiger Gründe verlassen.

Diese schwerwiegenden Gründe… da geht es ja schon los. Die Liste der Gründe ist lang, aber beinhaltet – neben offensichtlich dringlichen Gründen – unter anderem:

  • Einkaufen, einschließlich des Bedarfs für Weihnachten
  • Inanspruchnahme von aktuell erlaubten Dienstleistungen wie zum Beispiel Friseurbesuche
  • Besuch eines anderen Hausstands unter Beachtung der Kontaktbeschränkungen (maximal zehn Personen)

Shoppen für die Gesundheit

Ich bin beim besten Willen kein Experte, weder epidemiologischer, wirtschaftlicher noch soziologischer Natur, aber ich versuche mal zusammenzufassen:

Wir leben in einer Zeit, in der ein super duper gefährlicher Virus seine Runden um den gesamten Globus dreht, der bisher etwa eineinhalb Milionen Menschen das Leben gekostet hat. Aufgrund dessen werden Katastrophenfälle und Notstände ausgerufen. Tagtäglich werden wir wiederholt und eindringlich darauf hingewiesen, dass es absolut nötig ist aufs Social-Distancing (sic!) zu achten, immer Brav die Mund-Nasen-Bedenkung anzulegen und die Überlastung des Gesundheitsystems zu verhindern.
Solch harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Ganz wicht ist hierbei, so wenig Zeit wie möglich in direktem Kontakt mit Menschen zu verbringen. Allerdings hat jeder Mensch gewisse Bedürfnisse, die auch in solchen Zeiten gestillt werden müssen. Wer hierbei an Essen und Trinken denkt, denkt nicht weit genug. Ebenfalls sehr weit oben auf der Liste – da dieser Punkt gesondert aufgeführt wird, könnte man davon ausgehen, dass dieser eine noch höhere Priorität besitzt – ist der Weihnachtseinkauf: Wenn es darum geht glitzernden Plastikmüll, Topflappen, Socken, Rasierer oder automatische Pfeffermühlen zu kaufen, hat der deutsche Michl freie Hand. Was soll schon passieren? Ach, weil alle ihre MNBs an haben kann man ja noch ne Schippe drauflegen und den Friseurbesuch ebenfalls „gestatten“, aber ein Kino besuchen: „nein, nein, nein, das geht gar nicht! Viel viel viel zu gefährlich!“

Ich habe keine Patentlösung, aber die Beschlüsse wanken in meinen Augen extrem zwischen „Wirtschaft first“ und „Gesundheit – das wichtigste Gut“. Immer wieder, wenn ich davon höre, welche Branchen öffnen „dürfen“, habe ich die Strophe eines ganz bestimmten Liedes im Kopf

Mir ist klar, das hinter jeder Schließung auch ein Schiksal ist. Allerdings sollte, wenn neun Milliarden Euro für ein einziges Unternehmen klar gemacht werden können, es auch möglich sein Kleinunternehmer zu unterstützen und zeitgleich die Gesundheit der Menschen im Auge zu behalten.

Bildung ist Wichtig

Vor einer ganz besonderen Herausforderung stehen die Damen und Herren an der Spitze: Die Bildung – und hier vor allem die Schulbildung. Schon im Frühjahr und den ganzen Sommer über haben nahezu alle Wissenschaftler mit Rang und Namen im Einklang davor gewarnt, dass mit dem Winter auch eine zweite Welle kommen wird, die drastischer ausfallen wird als die erste. Dabei wurden sie mit wehenden Fahnen ignoriert.

Ein kurzes eingeschobenes Gedankenspiel: Eine Pandemie bricht aus, die getroffenen Gegenmaßnahmen haben gefruchtet und die Jahreszeit hat einer Nation zusätzlich in die Karten gespielt. Allerdings war der Verlauf nicht gerade „einfach“ und hat so manchen Bereich an die Grenze seiner Belastbarkeit gebracht. Es gab Personen, auf deren Fachkenntnis man sich verlassen hat und die mir ihren Aussagen im Großen und Ganzen richtig lagen. Nun flauen die Infektionen langsam ab, man bekommt das Ausbruchsgeschehen in den Griff und sieht so langsam aber sicher wieder Licht am Horizont. Jetzt kommen die selben schlauen Leute und mahnen, dass wir nur im Auge des Orkans angekommen sind und in wenigen Monaten der Rest über uns hinweg rollt, dann aber angereichert mit herumfliegenden Autos, Kühen und allerlei Unrat. Was wäre ein vernünftiger Umgang damit?
Richtig – SOMMERURLAUB 🏖
Aber mal im Ernst, wir wissen doch nicht erst seit gestern, dass unsere Klassenzimmer maßlos überfüllt sind und die technische Ausstattung keine Maus hinterm Schrank hervorlockt. Wenn dann noch so ein Virus dazwischengrätscht ist es allerhöchste Eisenbahn dieses Problem mal anzugehen. Ja, man kann nicht von heute auf morgen die Anzahl der Lehrer verdoppeln und ja, man kann den aktuellen Lehrkräften auch nicht die doppelte Arbeit aufhalsen. Das Maske im Unterricht und alle fünfzehn Minuten Stoßlüften ( im Winter 😉 ) eine ziemlich unbefriedigende Antwort ist, muss man sicher nicht weiter erörtern. Und so blieb es dabei, dass der Unterricht wie gewohnt bei voller Klassenstärke durchgeführt wurde. Quarantänen wurden nur den Betroffenen und ihren direkten Nebenleuten gestattet.
Einige Schulen versuchten unterdessen mit eigenen Maßnahmen und Konzepten den Schülern einen sicheren Unterricht zu ermöglichen, indem sie zum Beispiel die Klassen aufteilten und im Block unterrichteten. Distanzunterricht ist meistens immer noch nur dann möglich, wenn der Lehrer es mit eigenen Mitteln (Computer, Internet, digitale Materialien) umsetzen kann.

Hier ist klar Sichtbar wo die wirklichen Prioritäten liegen: Bei den Lobbyisten, die einem schöne Geschenke machen.

Nanu, Corona?!

Jetzt sind wir mitten der besagten „zweiten Welle“ und das Chaos erhält wieder Einzug. Sondersitzungen der Bund-und-Länderregierungen um über weitere Maßnahmen zu bereden und beschließen. Hierbei wurde am heutigen Tag auch mal wieder der Katastrophenfall ausgerufen und die zehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verabschiedet.

Dabei wird das Unverständniss meinerseits erheblich größer. Punkte, die ich hervorheben möchte sind unter anderem:

  • Diese verfickten Weihnachtseinkäufe… Es ist wieder explizit aufgeführt, dass es sich hierbei um einen „triftigen Grund“ handelt, der es Rechtfertigt seine Bazillen in der Weltgeschichte zu verteilen.
  • Eine „erweiterte Ausgangssperre“ für die Nacht zwischen neun und fünf Uhr in Gebieten mit einer STI über dreihundert. Unter anderem sind Sport und Bewegung an der frischen Luft dann nicht mehr erlaubt. Ich meine, geht’s noch? Hunderte Weihnachtsshopper treiben sich zwischen sechszehn und zwanzig Uhr in der breiten Gasse rum, aber wenn man nach nem harten Tag (eventuell sogar als Friseuse, die bis zwanzig Uhr offen hat) die Beine vertreten will, bricht man das fucking Gesetz?
    Und wenn man Besuch hat (dazu gleich mehr), dann muss dieser entweder um einundzwanzig Uhr wieder schön bei sich Zuhause sein, oder übernachten. Weil man beim Schlafen den Virus ja nicht in die Luft ausatmet.
    Diese Uhrzeit gilt übrigens ebenfalls – auch das wird noch einmal explizit mit aufgeführt – an Sylvester und Neujahr. Also darf ich auch nicht um Mitternacht raus um ein paar Kracher zu zünden. Dabei gibt es doch gerade hier mehr als nur einen Grund, um den Abstand zwischen mir und meinen Mitmenschen relativ großzügig zu bemessen. Ja, ich bin so ein dummer Vollidiot, der gerne einmal im Jahr Sachen anzündet die laut Bum machen – Hängt mich dafür!
  • Präsenzunterricht für alle Klassen bis zur achten Jahrgangsstufe. Gleichzeitig werden alle beruflichen Schulen zum Distanzunterricht gezwungen. Absolut sinnvoll und einleuchtend. Der Sechstklässler kann auf gar keinen Fall seine Matheübungen zuhause machen, aber dafür kann der angehende Schwimmeister theoretisch lernen, wie er einen Ertrinkenden aus dem Wasser zieht. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass man im Durchschnitt etwa mit 13 Jahren die siebte Klasse besucht – das wird gleich ebenfalls noch mal wichtig.
  • Das Verbot unter freiem Himmel zu Trinken. Himmel arsch und zwirn! Ja, mit steigendem Pegel fallen die Hämmungen und man kümmert sich nicht mehr so sehr um die Regeln, aber ein allgemeingültiges Verbot auszusprechen halte ich für reichlich überzogen. Wenn ich bei einem Spaziergang mit einem Freund ein Feierabendbier zischen will, dann soll ich das verdammt noch mal dürfen. Das, worauf diese Regel vermutlich abzielt sind doch eher Glühweinstände in der Stadt. Dann kann man das so aber auch so formulieren!

Ranting intensifies

Die Anzahl der Personen, die man sehen darf bleibt weiterhin auf maximal fünf Personen aus zwei Haushalten – diesmal unabhängig der STI. Ausgenommen aus der Zählung sind Kinder unter vierzehn Jahren. Wie weiter oben bereits festgestellt müssen genau diese, Tag für Tag in ihren überfüllten Klassenzimmern am Unterricht teilnehmen. Man nehme: Zwei Familien, die Huberts und Stallers. Die Eltern – Lisl und Franz Hubert, Sabine und Johannes Staller – sind im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Die Huberts haben ihren zwölfjährigen Benjamin und die Stallers den Peter aus der siebten Klasse und Susanne, die gerade in die Realschule gekommen ist. Beide Familien achten darauf, den Kreis der Kontakte klein zu halten und treffen sich nur gegenseitig oder mit jeweils einer weiteren Person. Nun ist es soweit, nach vielen Wochen treffen sich die sieben (aber es zählen ja nur vier) nach über einem Monat mal wieder und trinken einen Kaffe zusammen. Mit wie vielen Personen stehen sie (über maximal einen Hop) im Kontakt? Richtig: es müssten etwa 90 sein. Denn Susi, Benni und Peter sind in verschiedenen Klassen und müssen ja in das Klassenzimmer, weil sie noch nicht in der achten sind. Wenn man jetzt die ganzen Kids im Bus noch mit dazu zählt, werden es sicherlich noch mehr.
Dem Virus interessiert es halt einen Scheißdreck, ob der Wirt nun vier, vierzehn, vierzig oder vierundachtzig Jahre alt ist. Menschen, deren Atem und Körperflüssigkeiten findet der geil! Und bei einer exponentiellen Funktions ist es absolut egal, ob die Varible x, y, z oder bumsbums heißt, das Wachstum wird immer exponentiell bleiben.

Ist das euer ernst?

Jetzt habe ich mal versucht zu Schildern, an welchen Stellen ich getroffene Entscheidungen für dumm halte. Aber der Gipfel der Idiotie ist folgendes:

Nur für die Zeit vom 23. bis 26. Dezember gilt in ganz Bayern eine gelockerte Kontaktbeschränkung. Während der vier Tage ist der gemeinsame Aufenthalt mit den Angehörigen des eigenen Hausstands und weiteren Personen erlaubt, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt höchstens zehn Personen nicht überschritten wird (die zu diesen Hausständen gehörenden Kinder unter 14 Jahren bleiben für die Gesamtzahl außer Betracht)

Bericht aus der Kabinettssitzung vom 6. Dezember 2020


Da platzt einem doch der Kopf… Alle Quellen berichten darüber wie schlimm die aktuellen Zahlen sind, wie viel dramatischer es im vergleich zum Frühjahr ist und das man nur mit harten Maßnahmen etwas erreichen kann und dann: Drei Tage… was soll da schon passieren? Es ist absolut unverständlich, was jemanden dazu bewegt, so eine Entscheidung zu treffen. Es droht der Kollaps des Gesundheitssystems, die Gesundheitsämter sind mit dem Kontakttracing absolut überfordert und ein relativ angenehmes Leben wird erst dann erlaubt, wenn sich die Zahl der Infizierten um 90% reduziert hat (Corona-Ampel Grün, im Vergleich zu einer STI von dreihundert) und dann hockt da einer, der denkt es wäre eine gute Idee, dass sich wieder Gott und die Welt trifft? Aber nur an drei Tagen?

Hier möchte ich auch noch mal den bayerischen Rundfunk und den Herr Ministerpräsidenten zitieren:

Söder sagte […] Weihnachten […] sei das „Fest der Familie“ und das „emotionalste Fest der Deutschen und der Bayern“. Silvester dagegen sei das Fest der Freunde und anders zu bewerten.

https://www.br.de/nachrichten/bayern/markus-soeder-strengere-corona-regeln-fuer-silvester-moeglich,SI6EMDJ

Das entbährt sich mir jeglicher Realität. Für den Ü-Vierziger Präsi und seinen Umkreis mag das so stimmen, für viele andere auch. Aber es gibt auch noch andere, die an Weihnachten nicht „das emotionalste Fest“ des Jahres feiern, denen ihre Freunde („Freunde sind die Familie, die wir uns selber aussuchen.“) mindestens ebenso wichtig sind, wie ihre Familie. Ist es fair ihnen dieses Glück zu verwehren, wärend andere gemütlich um den Tannenbaum hocken und sich schön gegenseitig anstecken dürfen?

Lange Rede kurzer Sinn

Du hast es geschafft! Du bist am Ende meiner Tirade angekommen! 🎉 Wie du meine Aussagen auffast kann ich leider nicht beinflussen. Ich finde es gut, das viele viele Leute sich vorbildlich verhalten und auch, dass gehandelt wird. Ich kann aber nicht nachvollziehen, mit welchem Maß Beschlüsse gefasst werden. Gerade im direkten Vergleich mit dem Frühjahr fehlt es hier an klaren Zielen. Eventuell haben gewisse Menschen Angst vor der nächsten Bundestagswahl oder bösen Briefen 🤷‍♂️

Ich für meinen Teil werde wohl weiterhin in meiner eigenen kleinen Isolation leben, da alles, das mir Spaß bereitet, verboten ist.

Übrigens treffe ich mich so gut wie keinen anderen Personen, wenn es nicht sein muss… und das schon seit Monaten…

Nächster Artikel: Eine neue RundeVorheriger Artikel: Das neue Jahr

1 Kommentar

Herrmann von Deutschmichel · 11. Dezember 2020 um 11:06

An der Menge der gewählten GIFs erkennt man ohne den Text zu lesen, dass du stinksauer bist… Meine Mutti hat übrigens immer gesagt, man darf nicht fluchen! Bedauerlicherweise hast du einfach recht und es gibt jeden Grund sauer zu sein…
Naja: Bleib standhaft wie eine deutsche Eiche!
<3
Dein Michel

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter